Eine der be­deu­tends­ten Abteien in Burgund ist  Fontenay (Fon­ta­n­etum).

Pit Aretz 2006

Sie wurde im Jahre 1119 von Bernhard von Clairvaux als Tochter­klos­ter (Filiation) der Primarabtei Clairvaux ge­grün­de­t und liegt etwa 60 km nord­west­lich von Dijon getreu der zis­ter­zi­en­si­schen Tra­di­tion in einem ent­le­ge­nen, ur­sprüng­li­chen Bach­tal.

Weder von der Mut­ter­ab­tei des Zis­ter­zi­en­ser­or­dens [Ci­teaux (1098)] noch von den vier Toch­ter­grün­dun­gen La Fer­té (1113), Pon­ti­gny (1114), Clairvaux (1115) und Mo­ri­mond (1115) haben sich Reste aus der ers­ten Bau­phase er­hal­ten. Somit stellt die zu gro­ßen Tei­len er­hal­tene Abtei von Fon­tenay das äl­teste und voll­stän­digste bau­ar­chäo­lo­gi­sche Zeug­nis der frü­hen Zis­ter­zi­en­ser­bau­kunst dar. Die An­lage ver­mit­telt einen au­then­ti­schen Ein­druck von dem wohl durch Bern­hard von Clairvaux ent­wi­ckel­ten Grund­schema eines zis­ter­zi­en­si­schen Klos­ters. 

Geschichte
Der Bau ist ein Ma­ni­fest der stren­gen zis­ter­zi­en­si­schen Romanik und ent­spricht wei­test­ge­hend dem Ori­gi­nal­zu­stand. Seit sei­ner Voll­endung (1147)  hat das Got­tes­haus der Basilika nur ge­ring­fü­gige Ver­än­de­run­gen er­fah­ren. Fon­tenay ent­wi­ckelte sich schnell zu einem füh­ren­den geist­li­chen Zen­trum der Re­gion: die Mön­che fer­tig­ten wert­volle Hand­schrif­ten und er­ziel­ten Er­folge in der Medizin und Heilkunde des Hoch­mit­tel­al­ters. Im 13. Jahr­hun­dert wohn­ten Hun­derte Mön­che in Fon­tenay.

Mit der Französischen Revolution 1789 en­dete das Klos­ter­le­ben: 1791 ver­lie­ßen die letz­ten neun Mön­che Fon­tenay. Nach dem Ver­kauf wurde eine Pa­pier­fa­brik in den Ge­bäu­den der Abtei ein­ge­rich­tet, die Ba­si­lika war zu­se­hends von Ver­fall be­droht.

1906 kauf­ten die wohl­ha­ben­den Ge­brü­der Edouard und René Ay­nard die ge­samte Abtei und be­gan­nen mit der auf­wän­di­gen Restaurierung, die bis heute an­dau­ert. Nur den Be­mü­hun­gen der Ay­nards ist es zu ver­dan­ken, dass Fon­tenay in sei­nem wie­der­her­ge­stell­ten Zu­stand im Jahr 1981 von der UNESCO zum Weltkulturerbe er­klärt wurde.

Architektur

Die Abtei glie­dert sich in die Be­rei­che der Basilika (1), des Klos­ters mit Dormitorium (1. Etage), Kreuzgang (2), Refektorium (6) und Kapitelsaal (3), der Wirt­schafts­ge­bäude und der klös­ter­li­chen Gär­ten.

Die Fas­sade wird von sie­ben Rund­bo­gen­fens­tern – der sym­bo­li­schen Zahl der christ­li­chen Tra­di­tion – durch­bro­chen, oben von drei, unten von vier Fens­tern. Das hat nicht nur ar­chi­tek­to­ni­sche Be­deu­tung.

Mittelschiff Fontenay - Pit Aretz 2006

Mittelschiff Fontenay - Pit Aretz 2006

Zur Zahlensymbolik:
Die Drei, die durch keine an­dere Zahl teil­bar ist, ist die klas­si­sche Zahl der gött­li­chen Tri­ni­tät: Vater, Sohn und Hei­li­ger Geist. Die Drei steht für das Um­fas­sende, die Hei­lig­keit und Voll­kom­men­heit, für die Welt des Geist­li­chen. Eine welt­li­che Stadt ist auf künst­le­ri­schen Dar­stel­lun­gen des Mit­tel­al­ters vor­nehm­lich durch vier Ar­ka­den ge­kenn­zeich­net, das Himm­li­sche Je­ru­sa­lem immer durch drei Ar­ka­den.

Die Vier ist eine ganz zen­trale Sym­bol­z­ahl und zwar steht sie ganz all­ge­mein für den Be­reich des Welt­li­chen. Zu­nächst gibt es im Mit­tel­al­ter die Ein­tei­lung der Ma­te­rie in die vier Ele­mente Feuer, Was­ser, Erde und Luft. Dann gibt es im mensch­li­chen Leben vier Kar­di­nal­tu­gen­den [Tap­fer­keit (forti­tudo), Klug­heit (pru­den­tia), Mä­ßig­keit (tem­pe­ran­tia) und Ge­rech­tig­keit (ius­ti­tia)], die vier Tem­pe­ra­mente (cho­le­risch, phleg­ma­tisch, me­lan­cho­lisch und san­gui­nisch), die vier Kir­chen­vä­ter (Am­bro­sius, Au­gus­ti­nus, Hie­rony­mus und Gre­gor der Gro­ße), die vier Him­mels­rich­tun­gen, die vier Enden der Welt, die vier Ta­ges­zei­ten usw.

Dem Or­den­si­deal fol­gend sind die Zisterzienser-Kirchen ein­fach, streng und klar. Die Re­geln des Or­dens ver­bo­ten Türme, nur Dach­rei­ter und Glo­cken waren er­laubt. Fi­gür­li­cher Ka­pi­tell­schmuck, skulp­tierte Por­tale und Or­na­men­tik waren ebenso un­ter­sagt wie bunt­far­bige Fens­ter­ver­gla­sung. Darin ste­hen die Zis­ter­zi­en­ser in schärfs­tem Ge­gen­satz zur gleich­zei­ti­gen ro­ma­ni­schen Bau­kunst, vor allem zu Cluny, und das machte sie spä­ter zu Mit­ver­brei­tern des go­ti­schen Stils in sei­ner as­ke­ti­schen Ver­sion. Die­ses Schema lo­ckerte sich spä­ter auf und es wird sich etwas wie­der­ho­len, was in Cluny, dem Aus­gangs­ort der Be­we­gung, eben­falls ge­sche­hen ist. Die an­fäng­li­che As­kese konnte sich nicht durch­hal­ten.

Die acht­jochige Kir­che ist 66 Meter lang (Cluny III war un­ge­fähr drei­mal so groß) und 16,70 Meter hoch. Zur At­mo­sphäre die­ser Kir­che passt es sehr gut, dass kei­ner­lei Sitz­bänke und ähn­li­ches den In­nen­raum zu­stel­len und dass es ei­gent­lich auch kei­nen Fuß­bo­den gibt au­ßer fest­ge­tre­te­nem Lehm. Der ori­gi­nale Ein­druck des 12. Jhs. ist voll­stän­dig er­hal­ten ge­blie­ben. Das Mit­tel­schiff von Fon­tenay wird – wie in Cluny III – bis zum Chor von der bur­gun­di­schen Spitz­tonne auf mäch­ti­gen Quer­gur­ten über­wölbt.

Fontenay Seitenschiff - Pit Aretz 2006

Aber eine Fens­ter­zone fehlt, die Be­leuch­tung er­folgt durch die Sei­ten­schiffe und die dich­ten Fens­ter­grup­pen an der Ein­gangs­wand, an den Chor­wän­den und an den Quer­schif­fen­den. Das In­nere blieb ent­we­der stein­sich­tig oder wurde ver­putzt und mit wei­ßen Fugen be­malt, der ein­zi­gen zu­läs­si­gen Farbe – auch die Ge­wän­der der Zis­ter­zi­en­ser waren farb­los. Sonst er­hielt der turm­lose Bau weder plas­ti­schen noch ma­le­ri­schen Schmuck.

Dafür war die Be­hand­lung des Steins au­ßer­or­dent­lich sorg­fäl­tig und sau­ber – und damit auch teuer. Teil­weise konnte ohne Mör­tel ge­mau­ert wer­den. Diese as­ke­ti­sche Ein­fach­heit fand au­ßer­or­dent­li­chen Zu­spruch. In kür­zes­ter Zeit ver­brei­te­ten sich – zu­sam­men mit dem Orden – die Bau­for­men der Zis­ter­zi­en­ser über ganz Eu­ropa. Ihre ers­ten Bau­ten waren noch aus Holz er­rich­tet. Erst in der zwei­ten Or­dens­ge­ne­ra­tion unter Bern­hard von Clairvaux ent­stan­den Stein­ge­bäude.

Die er­ha­ben schlichte, drei­schif­fige Ba­si­lika hü­tet die über­le­bens­gro­ße Stein­sta­tue der »Madonna von Fontenay« aus dem 13. Jahr­hun­dert. Im Chor, der sich hin­ter den hohen Säu­len er­streckt, sind Grab­plat­ten bur­gun­di­scher Adliger aus dem 13. Jh. er­hal­ten, der Blü­te­zeit der Abtei. Eben­falls aus dem 13. Jh. stammt der go­ti­sche Altar.

Dormitorium - Pit Aretz 2006

Vom süd­li­chen Quer­haus aus ge­langt man über eine Treppe nach oben in das Dor­mi­to­rium, in den Schlaf­saal der Mön­che, der immer über dem Ka­pi­tel­saal liegt. Er ist 56 Meter lang, das Ge­bälk ist aus Ei­chen­holz und stammt noch von ca. 1450. Die Mön­che schlie­fen in dem un­be­heiz­ten, schwach be­leuch­te­ten Raum auf Stroh­sä­cken unter einer Woll­de­cke und waren kaum ge­trennt von­ein­an­der. Es be­stan­den nur zwei durch einen Mit­tel­gang ge­trennte Rei­hen. In­ner­halb die­ser Rei­hen waren die Lie­ge­plätze le­dig­lich durch ein­fa­che, nie­dere Schei­de­wände ge­trennt.

Im Ver­lauf des Mit­tel­al­ters wur­den al­ler­dings bei den Zis­ter­zi­en­sern hö­here höl­zerne Trenn­wände zwi­schen die Bet­ten ge­stellt; so ent­stan­den of­fene Ka­bi­nen, die gegen den Mit­tel­gang im­mer­hin durch Vor­hänge ab­ge­schlos­sen waren, also we­nigs­tens eine ge­wisse Pri­vat­heit er­laub­ten. Seit dem 15. Jh. waren auch Tü­ren mit Guck­loch er­laubt. Die jün­ge­ren Brü­der schlie­fen zur Kon­trolle häu­fig zwi­schen den äl­te­ren. Der Abt sah nach, ob sich in den Bet­ten kein Son­der­be­sitz be­fand, der gegen das Ar­muts­ge­bot ver­stieß.

Anfangs war es üb­lich, dass nach der Benediktinerregel alle Mön­che in einem Raum ge­mein­sam schla­fen soll­ten, so dass das Dor­mi­to­rium sehr groß wer­den konnte, manch­mal grö­ßer als das Kir­chen­schiff. Spä­ter kam es des­halb zu Ab­wei­chun­gen die­ser Regel, aber die Mön­che ver­brach­ten auch dann zu­min­dest in Grup­pen zu 10 oder 20 die Nacht. Meis­tens hat­ten die Schlaf­säle zwei Zu­gänge, einen un­mit­tel­bar zum Quer­haus der Kir­che, den zwei­ten zum Klos­ter­hof oder zu den La­tri­nen. Das Licht sollte bei al­le­dem nie aus­ge­hen – Dun­kel­heit er­zeugt Angst und er­schwert die Kon­trolle.

Kreuzgang Fontenay - Pit Aretz 2006

Als Meis­ter­werk der Romanik gilt der Kreuzgang, der sich um einen be­grün­ten Hof schließt und der über ex­zel­lent be­ar­bei­tete Ka­pi­telle ver­fügt. Der an­schlie­ßende Kapitelsaal, in dem einst Rat ge­hal­ten wurde und in dem die Geist­li­chen sich aus­tausch­ten oder ihre Stu­dien be­trie­ben, kün­digt durch ei­nige For­men an Säu­len und Fens­tern be­reits die Gotik an. Der ein­zig dau­er­haft be­heizte Raum des Klos­ters war der Chauf­foir (Cale­fac­to­rium,Wärmestube), der über zwei ge­wal­tige Ka­mine ver­fügt, an denen sich die Mön­che wärm­ten.

Garten und Rückansicht - Pit Aretz 2006

Die nach alten Vor­bil­dern re­stau­rier­ten Kräu­ter­gär­ten be­gren­zen den Kran­ken­saal, in dem die Kran­ken der Re­gion ver­sorgt wur­den, und die Schmiede, die eine wich­tige Ein­nah­me­quelle des Klos­ters dar­stellte. Im 15. Jahr­hun­dert ent­stan­den der ku­riose Tau­ben­turm, der auf das Jagd­recht der Mön­che ver­wies, und der Hun­de­zwin­ger. Der im ver­spiel­ten Stil des Rokoko ge­hal­tene Abt­spa­last aus dem 18. Jahr­hun­dert dient heute der Fa­mi­lie Ay­nard als Wohn­sitz.

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